Empörung über Spardiktat der Landesregierung nach zwei Tagen noch größer
Der Ärger über die Sparpläne der hessischen Landesregierung ist bei den Bediensteten zwei Tage danach noch größer geworden, weil nun die gesamte Tragweite analysiert worden ist. Zwei Tage, nachdem Innenminister Poseck und Finanzminister Lorz (beide CDU) die Gewerkschaften kurzfristig über die Verschiebung des zweiten Übernahmeschritts des Tarifabschlusses auf die Besoldung von August auf Dezember informiert hatten, nutzte Landesvorsitzender Heini Schmitt die Hauptversammlung der dbb Bundesfrauenvertretung, um seinem Ärger abermals Luft zu machen...
„Da ist etwas zerbrochen“, sagte er den 55 Mitgliedern der Frauen-Hauptversammlung aus der ganzen Bundesrepublik. Denn für ihn steckt hinter dem Spardiktat, welches der Landesregierung 180 Millionen Euro einsparen soll, viel mehr: „Wenn sich Beamte nicht mehr auf Regierung und Gesetze verlassen können, dann geht in diesem Land etwas den Bach runter.“
Hintergrund: Die Übertragung des Ergebnisses des TV-H auf die Besoldung ist ein Standardvorgang, auf den sich der dbb Hessen und die Landesregierung seit 2017 wieder geeinigt hatten. „Dieser Standardvorgang wurde kassiert“, so Schmitt. Außerdem wurden die Statusgruppen Arbeitnehmer und Beamte gespalten und den Beamten wurde ein nennenswerter Teil der geleisteten Inflationsausgleichszahlungen wieder weggenommen. „Da wurde vor zwei Tagen ein riesiger Scherbenhaufen produziert.“
„Wir befinden uns im 11. Jahr verfassungswidriger Unteralimentation in Hessen“, fehlt Schmitt daher jedes Verständnis für den Vorstoß. Bis vor das Bundesverfassungsgericht hatte sich der dbb Hessen in den vergangenen Jahren geklagt, um die Landesregierung dazu zu bewegen, diesen Missstand endlich zu beheben, den sie selbst herbeigeführt hatte. „Seit 2015 haben wir angemahnt, für diesen Fall Rücklagen zu bilden“, so Schmitt.
Dabei hatte der Verwaltungsgerichtshof in Kassel die Rechtauffassung des dbb Hessen in einer Entscheidung am 30. November 2021 bestätigt. Demnach fehlen einem Beamten der Besoldungsstufe A6 in der ersten Stufe 24,3 Prozent zu einer verfassungskonformen Besoldung.
Dass die Regierung sich daraufhin, wenn auch zaghaft, auf den Weg gemacht hatte, dies zu beheben, hatte der dbb Hessen durchaus goutiert.
Schmitt sieht das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Landesregierung „auf Dauer beschädigt, wenn nicht sogar zerstört“. Damit stünde auch alles Weitere, was bislang als verlässlich galt, auf tönernen Füßen. „Das ist ein Skandal.“
Zwar ist es bis zur nächsten Landtagswahl noch etwas hin, dennoch müsse „jeder Abgeordnete der Regierungsparteien in seinem Wahlkreis von den Beamten zur Rede gestellt werden“, sagte Schmitt. Das verloren gegangene Vertrauen wieder herzustellen, werde Jahre brauchen.
Die Kritik entgegen nehmen musste Sozialministerin Heike Hofmann (SPD), die für ein Grußwort zur dbb Frauenvertretung gekommen war, wenngleich sie und ihre Partei sich erst seit Beginn der Legislaturperiode nach langer Abstinenz in Regierungsverantwortung wiederfindet.
Den von ihr gezogenen Vergleich, das Beamtentum biete im Vergleich zur freien Wirtschaft zurzeit einen sicheren Arbeitsplatz (illustriert durch das Beispiel Einsparungen bei VW in Baunatal), ließ Volker Geyer, der dbb Vize-Bundesvorsitzende, nicht gelten. „Jeder Beamte leistet jede Woche seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung, weil er länger arbeitet als Tarifbeschäftigte, insbesondere bei VW.“
Heini Schmitt erinnerte zudem daran, dass VW während der Pandemie trotz Kurzarbeit die höchsten Gewinne der Unternehmensgeschichte einfuhr. „Das beklagen wir nicht“, sagte er. „Aber dann, wenn die Krise kommt, das Beste aus zwei Welten haben zu wollen, kann bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst nicht nachvollzogen werden.“
Der dbb beamtenbund und tarifunion Landesbund Hessen ist der gewerkschaftliche Dachverband von 39 Fachverbänden des öffentlichen Dienstes in Hessen mit rund 50.000 Mitgliedern.