06. Januar 2020

Jahrestagung des dbb in Köln

Der öffentliche Dienst ist ein Sanierungsfall

Zwei prall gefüllte Tage, viele hochkarätige Gesprächs- und Diskussionsteilnehmer, dazu jede Menge Impulse und Ideen für die Themen, die den öffentlichen Dienst umtreiben – so könnte man, in aller Kürze, die dbb Jahrestagung zusammenfassen. Sie hat am 6. Und 7. Januar in Köln stattgefunden.

 

Doch werden wir konkret: Der Öffentlich Dienst ist ein Sanierungsfall - zumindest laut Ulrich Silberbach, Vorsitzender des Deutschen Beamtenbunds. Zumindest lautet so seine Einstiegsthese zur Jahrestagung 2020 in Köln. Zwei Tage diskutieren Delegierte und Politiker über Politik und Gesellschaft, immer mit Blick darauf, was das auch für den öffentlichen Dienst bedeutet. "Wir müssen schleunigst zusehen, wie wir den öffentlichen Dienst mit sinnhafter Digitalisierung und nachhaltiger Personalpolitik fit für die Zukunftsaufgaben bekommen", sagte Silberbach zur Eröffnung und spielte den Ball in Richtung von Bundesinnenminister Horst Seehofer.

Dieser sieht die Leistungsfähigkeit als "hervorragend". Die Herausforderungen sieht er aber auch: Digitalisierung, eine Heimatstrategie für gesellschaftlichen Zusammenhalt (Regional- und Strukturpolitik) sowie die Attraktivität des ÖD als Arbeitgeber treiben ihn als zuständigen Minister besonders um. Dem ÖD fehlen aktuell rund 200.000 Mitarbeiter. Eine nahende Pensionierungswelle wird das noch verschärfen. Aber auch das Bemühen hat Grenzen. Mit Blick auf die vom dbb gewünschte Senkung der Wochenarbeitszeit der Beamten von 41 auf 40 Stunden machte Seehofer wenig Hoffnung. Er wolle erst einmal Personal schaffen. Danach könne man über eine Senkung der Arbeitszeit nachdenken. Beides auf einmal sei dem Finanzminister kaum vermittelbar.

Unterstützung erhielt der dbb von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. "Wir brauchen genügend Menschen, die unsere Zukunftsthemen managen. Diese gewinnen wir nur, wenn der Staat als Arbeitgeber attraktiv ist." Angesichts der zunehmenden Gewalt gegenüber Beschäftigten forderte Laschet eine entschiedenere Haltung von Politik und Gesellschaft. "Hier brauchen wir ein Stoppschild."

Die zunehmende Gewalt treibt auch Seehofer um. Dies seinen "Angriffe auf unsere freiheitliche demokratische Grundordnung und damit auf uns alle".

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble indes warnte vor zu viel Staat. "Wir sollten nicht die Verantwortung für alles übernehmen", sagte er. "Wer das Perfekte anstrebt, landet in der Diktatur." Vielmehr warb er dafür, den Bürgern die Lösung von Problemen auch ohne staatliches Zutun zuzutrauen. "Wer Verantwortung mitträgt, akzeptiert Kompromisse besser", sagte Schäuble.

Bei der Diskussion diskutierte Schäuble mit Wissenschaftler Herfried Münkler, SPD-Politiker Kevin Kühnert und Jens Teutrine (Landesvorstand NRW JuLis) über ein neues Verhältnis von Staat und Bürgern. 

Herfried Münkler skizzierte ein Dilemma der Politik. Einerseits hätte in der Vergangenheit eine Professionalisierung in den Verwaltungen zugenommen, was Fehler und Ineffizienz minimierte. „Wo professionelle Politik ausgeübt wird, herrscht fachliche Effizienz. Ehrenamtliches Engagement wird allerdings zurückgedrüngt.“

Auch Sicht von Kevin Kühnert sind die unterschiedlichen materiellen Voraussetzungen der Menschen Engagementkiller. Auch zunehmend fehlende Strukturen seien schlecht für die Politik. Vom Staat erwarte er, Demokratie dorthin zu tragen, wo die Menschen leben. „Das muss zur politischen Priorität gehören, sonst laufen wir Gefahr, Strukturen vor allem in der Fläche zu vernachlässigen. 

Jens Teutrine beklagte das starke Interessensgefälle zwischen Stadt und Land: „Um hier gegenzusteuern plädieren wir für die Senkung des Wahlrechts auf 16 Jahre.“ Umfragen zeigten, dass diese Altersgruppe politisch die aktivste und engagierteste ist, so Teutrine. „Wer früh zum ersten Mal wählt, wird wieder wählen.“

 

Wie tickt die Jugend politisch? Dieser Frage ging die zuständige Bundesministerin Franziska Giffey nach, machte aber zugleich wenig Hoffnung auf eine eindeutige Lösung. Sie kam zum Schluss, dass die Jugend keine homogene Gruppe ist. Sie rief diese Alterskohorte zur Teilhabe auf – möglichst, mit Blick auf Fridays for Future nicht nur bei Demonstrationen und Protesten. „Wer wirklich etwas bewegen will, muss in politische Ämter gehen. Dazu möchte ich alle jungen Menschen ermutigen.“

Anschließend diskutierte sie mit Karoline Herrmann von der dbb Jugend, Martin Horn (OB Freiburg und jüngster OB Deutschlands) und Quang Anh Paasch (Fridays for Future). 

Karoline Herrmann sagte: „Junge Menschen müssen merken, dass es was bringt sich zu engagieren.“ Das setze aber einen intakten Kommunikationsfluss voraus. Im dbb ist die Jugend inzwischen mit beratender Stimme in der Bundesleitung repräsentiert. „Das nehmen wir sehr ernst“, sagte Herrmann.

Martin Horn aus Freiburg kommt aus einer Stadt, in der die Jugend sehr politisch ist. Die größte Demonstration, die die Stadt je sah, war der Klimastreik im vergangenen Herbst. Horn sieht die Kommunen als hervorragenden Ort für politische Partizipation, auch die der Jugend. Zudem hat man, mit Blick auf die heranwachsende Klientel, die Kommunikationsstrategie in der Verwaltung überdacht. „Wir erreichen über herkömmliche Medien nur noch 20 Prozent der Bürger, deshalb kommunizieren wir mehr und mehr auch über die sozialen Medien.“

Weil man eine vielfältige und parteilich unabhängige Bewegung sei, sei das Erfolgsgeheimnis von Friday for Future, wie deren Sprecher Quang anh Paasch erläuterte. Ein weiteres sei das Ziel der Bewegung, direkt Einfluss auf die Demokratie nehmen zu wollen, ohne lange Umwege durch politische Gremien. „Das ist etwas, was man als junger Mensch in Parteien und Politik kaum oder nur sehr schwer erreicht.“ Eine hoffnungslose Einstellung der Jugend angesichts des Klimawandels sieht er nicht. „Gerade weil wir wissen, wie stark der Staat sein kann, wenn er will, haben wir Hoffnung und treiben die Dinge an.“