16. Januar 2020

dbb Hessen-Pressemitteilung 02/2020

dbb: Fachkräftemangel im Öffentlichen Dienst ist schon Realität

Fachkräftemangel ist kein Zukunftsgespenst, im öffentlichen Dienst ist er bereits Realität. Laut einer verbandsinternen Erhebung fehlen schon jetzt in Hessen Tausende Mitarbeiter. „Die vorliegenden Zahlen sind sicher nicht vollständig, aber sie zeigen doch einen klaren, alarmierenden Trend“, sagt der Landesvorsitzende Heini Schmitt.

Die Situation in Hessen:

rd. 60 Gerichtsvollzieher fehlen (derzeit 314)

rd. 320 Bedienstete fehlen im Bereich Jobcenter/Arbeitsagenturen (derzeit 3.200 Stellen)

rd. 325 Stellen (davon 84 Rechtspfleger) fehlen im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Fachgerichtsbarkeiten, der Staatsanwaltschaften (derzeit 1.078 Stellen)

rd. 10 bis 15 Stellen fehlen beim Rechnungshof (derzeit 250 Stellen)

rd. 106 Stellen fehlen im Strafvollzugsdienst

rd. 900 Stellen fehlen beim Zoll

rd. 60 Stellen fehlen beim Forst, künftige Einstellungskorridore müssen um mind. 20 nach oben angepasst werden

• rd. 1.100 Stellen bei der Finanzverwaltung (Stand Januar 2018); hier sind allerdings konstant hohe Einstellungszahlen zu begrüßen

• rd. 2.000 Stellen bei der Polizei, auch hier hohe Einstellungszahlen zu begrüßen...

„Es fehlen aber praktisch in fast allen Bereichen Beamte und Arbeitnehmer im Öffentlichen Dienst: Lehrer natürlich, Erzieher, Pflege, im Polizeidienst, im Justizvollzug, im Gesundheitssektor, im Forst, beim Jugendamt, in der Lebensmittelkontrolle“, sagt Heini Schmitt und macht Druck. „Das Problem ist inzwischen weitgehend bekannt und auch von Seiten der Politik grundsätzlich anerkannt. Der vorgesehene Haushalt für 2020 greift dieses Problem mit gewissen Schwerpunktsetzungen auf, allerdings nicht mit der gebotenen Konsequenz.“

Ein Stück weit ist die Situation auch hausgemacht. In den vergangenen Jahren gab es im ÖD häufiger Sparrunden und Stellenabbau. Personalmangel verlängert nicht nur Vorgänge, er kann im Extremfall auch gefährlich werden. „Wohin das führen kann zeigt sicher das Beispiel Wilke-Wurst in Waldeck-Frankenberg. Das dortige Veterinäramt war unterbesetzt, konnte die ihm gestellten Aufgaben kaum bewältigen. Die Folgen dieser Unterbesetzung waren fatal.“ Eine anstehende Pensionierungswelle in 5 bis 10 Jahren wird die Personalnot noch verschärfen.

Viele Aufgaben des ÖD sind ja auch gesetzlich festgeschrieben, da darf es keinen Spielraum geben. Was sich mit Sicherheit verlängern dürfte sind Bearbeitungszeiten, weil die Beamten und Angestellten einfach nicht mehr hinterherkommen. Beispiel: Amtsanwälte. 116 gibt es davon in Hessen. Sie bearbeiten pro Jahr 240.000 Fälle. Das bedeutet ca. 45 Minuten Bearbeitungszeit pro Fall – wenn alle an Bord und gesund sind.

Hinzu kommen wachsende Aufgaben. „Nehmen wir die Zulassung der e-Scooter im Straßenverkehr. Die Scooter wurden schnell zugelassen, ohne sich große Gedanken über die Folgen zu machen, etwa wer kümmert sich um die Einhaltung der Regeln, wer kümmert sich darum, wenn Unfälle passieren?“ fragt Heini Schmitt. Klar, es wird die Polizei hinzugeholt. Aber solche zusätzlichen Aufgaben binden Kräfte. Schon heute schreiben die hessischen Polizisten mehr als 3 Millionen Überstunden pro Jahr. Eines ist aber auch klar: „Arbeitsverdichtung kann zu Stress führen, unter Stress entstehen Fehler und die Gesundheit leidet.“

Ein möglicher Ausweg ist die Nachwuchsgewinnung. „Der Öffentliche Dienst ist nicht alleine da auf dem Arbeitsmarkt. Die Wirtschaft schläft nicht und sucht ja auch in allen Bereichen nach Personal“, sagt Heini Schmitt. Für die Wirtschaft ausbilden sollte der ÖD aber nicht. Man muss jungen Leuten und dem Bestandspersonal eine Perspektive bieten. Die Arbeitswelt Öffentlicher Dienst ist wesentlich facettenreicher und spannender, als man sich das auf den ersten Blick vorstellt. Und die Beschäftigungen bieten Sicherheit. Aber der Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt ist viel härter geworden. Immerhin scheint der Öffentliche Dienst sein Image als leicht verstaubt und trocken abgelegt zu haben. „In jüngster Vergangenheit wird der ÖD zunehmend als bürgerfreundlich und kompetent wahrgenommen. Die Bürger betrachten den ÖD keineswegs mehr als überfrachtet oder zu teuer“, so Schmitt.

300.000 Menschen fehlen einer bundesweiten Verbandsabfrage des dbb zufolge derzeit im öffentlichen Dienst. „In den kommenden zehn Jahren werden zudem mehr als 1,3 Millionen Beschäftigte in den Ruhestand gehen. Damit steht uns ein ganz gewaltiger Verlust von Arbeitskraft und Knowhow ins Haus. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, den der öffentliche Dienst zu bewältigen hat – und leider sind wir bislang noch nicht einmal richtig aus den Startlöchern gekommen. Das ist wirklich dramatisch. Wir müssen schleunigst die Beine in die Hand nehmen und zusehen, dass wir den öffentlichen Dienst mit sinnhafter Digitalisierung und nachhaltiger Personalpolitik fit für die Zukunftsaufgaben bekommen“, sagt der Bundesvorsitzende des dbb, Ulrich Silberbach.

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