12. Januar 2020
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Jahrestagung, Tag 2:

Wie kann der große Aufbruch gelingen?

Stand der erste Tag der Jahrestagung noch unter dem Zeichen der Bestandsaufnahme, ging es am zweiten Tag um die Zukunft: „Aufbruch“ lautete das Thema. Oder: Wie sieht der öffentliche Dienst der Zukunft aus? 

Zur Erinnerung der Status Quo:

Der öffentliche Dienst und seine 4,6 Millionen Beschäftigten stehen vor großen Herausforderungen. Seit Jahren sind die Auswirkungen des demografischen Wandels ebenso spürbar wie die der Digitalisierung, die Gesellschaft und Arbeitswelt tiefgreifend verändert. Das Durchschnittsalter der Beschäftigten steigt, und die Gewinnung von qualifiziertem Nachwuchs gestaltet sich zunehmend schwierig. In den kommenden 10 Jahren werden mehr als 1,25 Millionen Beschäftigte in den Ruhestand gehen. Maßnahmen, die die Attraktivität des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber dauerhaft steigern, sind vor diesem Hintergrund unumgänglich. Die „digitale Revolution“ wird auch den öffentlichen Dienst und das gesamte staatliche Handeln gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern verändern und prägen. Die Beschäftigten sind in zweifacher Hinsicht betroffen: Zum einen als Akteure in Behörden, Verwaltungen und Betrieben, wo neue Hard- und Software, neue Abläufe, Prozesse und Netzwerke zu implementieren sind. Zum anderen sind sie weiterhin die Botschafterinnen und Botschafter des Staats, sie sind die Umsetzenden, die Garantie für Daseinsvorsorge, Recht und Ordnung – auch im digitalen Zeitalter, und sie müssen den entsprechend veränderten Bedürfnissen und Ansprüchen der Bürgerinnen und Bürger gerecht werden.

„Der öffentliche Dienst darf bunter und vielfältiger werden“, sagte Bundesvorsitzender Uli Silberbach in seinem Impulsreferat. Noch immer sei er durch Hierarchien geprägt. Doch der bevorstehende Wandel – demografisch und digital – muss Beschäftigten die Chance geben, mitgestalten zu können, um Mitarbeitern die vorhandenen Ängste vor den Veränderungen nehmen zu können. Wie kann das geschehen?

Gerd Landsberg vom Städte und Gemeindebund machte einen naheliegenden Vorschlag: Anreize schaffen, damit sich das Engagement der Beschäftigten auch lohnt. 

Nicole Opiela vom Fraunhofer-Institut sieht die Herausforderungen weniger in der Struktur als in den Köpfen der Menschen. „Das fängt auf den Führungsebenen an“, sagte sie. Dort müsse man lernen, die Leute mitzunehmen. Dies könne auch auf der Führungsebene durch gezielte Fortbildungen geschehen. „Da gibt es noch große Lücken.“

„Die Instrumente sind alle da“, sagte Uli Silberbach in der anschließenden Diskussionsrunde. Was nun gebraucht werde sei eine Vertrauenskultur. Bei der Beurteilung der Mitarbeiter müssten neue Instrumente geschaffen werden, um den Wandel angemessen begleiten zu können. „Wir müssen den Beschäftigten auch mehr Eigenständigkeit zubilligen.“

Das gilt auch mit Blick auf moderne, flexible Arbeitszeitmodelle. Heike Raab, Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund für Europa, Medien und Digitales: „Flexible Arbeitszeit ist unbedingt notwendig.“ Schließlich sei auch Präsenz kein Kriterium für Produktivität. 

Nicht nur bei den Mitarbeitern, auch bei den Bürgern müsse man Vertrauen schaffen, sagte Irene Mihalic, Innenpolitische Sprecherin der Grünen in Berlin. Mitunter ist es paradox: Bislang vertrauten die Bürger ihre intimsten persönlichen Daten amerikanischen Internetkonzernen wie Google, Amazon oder Facebook an, bei Dingen wie dem digitalen Pass stoße man jedoch noch immer auf Misstrauen bezüglich der Datensicherheit. Ängste, wie die vor einem Social Score aus den gesammelten Daten, wie es in China Praxis ist, sind zwar prinzipiell nicht unbegründet, entbehren aber, was Verwaltungen und öffentlichen Dienst anbetrifft, jeder Realität.

Einziges positives Gegenbeispiel scheint die Steuersoftware „Elster“ zu sein. Für Landsberg ist das aber nur bedingt Ausdruck des Vertrauens, als vielmehr der schnellste und bequemste Weg, das lästige Thema Steuererklärung loszuwerden. Darum, so Nicole Opiela sei es wichtig, dem Bürger den praktischen Nutzen digitaler öffentlicher Services zu verdeutlichen. „Das steigert die Akzeptanz.“

Bis dahin muss der Öffentliche Dienst für die Digitalisierung fitgemacht werden. Bislang gibt es ein Patchwork an zuständigen Abteilungen, bunt verteilt über alle Verwaltungsebenen. Deshalb müsse eine neue Architektur her. Uli Silberbach forderte daher ein echtes Digitalministerium, in dem die vorhandenen Kompetenzen gebündelt werden. „In jeder Bundesbehörde gibt es Abteilungen, da kann keine schnelle Lösung zustande kommen.“

 Nicole Opiela plädierte für ein nutzungsorientiertes Design. Manchmal sei es besser, nicht gleich am großen Wurf zu arbeiten, sondern sich Schritt für Schritt den Bedürfnissen der Bürger anzunähern. Dies biete eine große Chance und bedeute keine große allgemeine Überforderung. Ein Beginn könnte etwa ein Mängelmelder in Kommunen sein, wie es ihn vereinzelt auch schon gibt. Das ist niedrigschwellig, bezieht die Bürger ein und gibt eine schnelle positive Rückmeldung.

Andreas Nöthen