Der Jahreswechsel war nicht für alle ein Grund, ausgelassen zu feiern. Einige ließen ihr Leben, andere mussten Schwerstarbeit leisten. Als sich der Böllerrauch verzogen hatte, folgten das alljährliche, inzwischen ritualisierte Lamento und die üblichen Forderungen nach Böllerverboten und hartem Durchgreifen gegen die, die den allgemeinen Ausnahmezustand ausnutzen, um sich und anderen im Schutz der Anonymität Schaden zuzufügen.
Inzwischen ist ein Monat vergangen und geschehen ist – nichts. Die Diskussion ist verstummt, andere Themen beherrschen die Agenda, bis zum nächsten Silvester.
Noch einmal die „Höhepunkte“ der Nacht, deutschlandweit: Fünf Tote und unzählige Schwerstverletzte. Menschen sind seither taub und blind, einige haben sich ihre Finger weggesprengt, manche die ganze Hand.
Randalierende haben nicht nur Kinder und Hunde zu Tode erschreckt, in dem sie Raketen und Böller in die Menge schossen – oft half an den Hotspots nur der gebückte Gang, um unbeschadet entkommen zu können.
Die Luftqualität in der Silvesternacht war schlecht wie sonst nie im Jahr, nicht nur chronisch Atemwegskranke litten unter dem Feinstaub. Kinder, Alte und Kranke konnten nicht schlafen, die Feuerwehr alleine in Berlin zählte ein Viertel mehr Brände als im Jahr zuvor – der entstandene Sachschaden geht nicht nur erneut weit in die Millionen – er wäre auch vermeidbar gewesen.
„Nach einer solchen Bilanz kann man nicht einfach nach wenigen Tagen ritualisierter Aufregung und Beschwichtigung einfach zur Tagesordnung übergehen – und in knapp 11 Monaten die selbe Platte erneut auflegen. Es wird objektiv belegbar jedes Jahr schlimmer“, sagt der Vorsitzende des dbb Hessen, Heini Schmitt, der übrigens mehr als vier Jahrzehnte selbst im Polizeidienst war.
Hundertschaften von Polizisten schoben an den Hotspots der Innenstädte Dienst, um an viele Orten das Schlimmste zu verhindern. Rettungskräfte und Feuerwehrleute waren nicht nur extrem gefordert, mancherorts wurden sie sogar bei ihrer Arbeit massiv behindert oder gar angegriffen. Die Notaufnahmen liefen am Anschlag und hinterher mussten die Entsorgungsbetriebe Extraschichten fahren, um den Dreck wegzufegen.
Und das alles, damit ein kleiner Teil der Bevölkerung - darunter prominent vertreten Jugendliche und junge Männer mit Migrationshintergrund - im Schutz der Anonymität auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen – auf Kosten anderer.
„Diese Mitbürger haben doch inzwischen längst erkannt, dass sie für ihr Tun kaum Konsequenzen zu befürchten haben“, sagt Schmitt. Einerseits, weil nicht überall die Polizei präsent sein kann, andererseits weil eine beweiskräftige Verfolgung von Straftaten, begangen aus der Menge im Partygetümmel praktisch kaum hinzubekommen ist. „Leidtragende sind nicht nur die Einsatz- und Hilfskräfte. Es sind auch die friedfertigen Mitbürger, die zunehmend das Gefühl bekommen, dass der öffentliche Raum in unseren Städten besonders an Silvester zum Angstraum geworden ist, in dem der Staat sie nicht mehr ausreichend schützen kann“, sagt Schmitt.
Das ist eine Entwicklung, die wir schon länger beobachten und die wir nicht weiter hinnehmen wollen. „Es ist das vorläufige Ende einer Entwicklung, in der bestehende Gesetze einfach nicht mehr beachtet werden – und dieses Nichtbeachten folgenlos bleibt.“
„Die Politik sollte endlich ihren Handlungsauftrag erkennen“, findet Schmitt. In vielen Nachbarländern ist der Verkauf und die Nutzung von Feuerwerkskörpern stark reglementiert oder gleich verboten. „Eine ähnliche Regelung hier würde die Situation entspannen und Ressourcen schonen“, sagt Schmitt. Und: Es wäre dringend erforderlich, dass wenigstens in den wenigen Einzelfällen, in denen möglicherweise ein beweiskräftiges Ermittlungsverfahren durchgeführt werden kann, tatsächlich auch drastische Strafen, auch Freiheitsstrafen verhängt werden, und zwar zeitnah. Erstens würde sich das in der Szene rumsprechen und zweitens würden die Ankündigungen des harten Durchgreifens dann auch wieder mehr Glaubwürdigkeit erfahren,“ sagt Schmitt.