Mitbestimmung

Für ein modernes, zukunftsweisendes Personalvertretungsrecht

 

Vorbemerkungen

Für eine erfolgreiche Arbeit in den Behörden und Dienststellen ist ein modernes und zukunftsweisendes Personalvertretungsrecht von besonderer Bedeutung. Es ist jedoch offensichtlich, dass das Hessische Personalvertretungsgesetz diesen Anforderungen in der Praxis nicht mehr entspricht.

Die Verwaltung in Hessen steht vor einschneidenden Veränderungen ihrer Organisationsstrukturen und Arbeitsprozesse. 

Die Digitalisierung der Verwaltung – in Anlehnung an den Begriff Industrie 4.0 als Verwaltung 4.0 bezeichnet – wird die Personalvertretungen vor große Herausforderungen stellen. Glaubt man den Vorgaben der hessischen Landespolitik, soll die hessische Landesverwaltung bis 2021 vollständig digitalisiert sein.

Diese Veränderungsprozesse reichen von der Einführung neuer und einheitlicher Kommunikationstandards bis hin zu Fragen einer möglichst hohen Gewährleistung von Datensicherheit und Datenschutz der Beschäftigten.

Bestehende Arbeitsverhältnisse/Arbeitsplätze werden sich durch alle Funktionsebenen hindurch verändern oder gar nicht mehr benötigt werden. Da der/die einzelne Mitarbeiter/in diese Prozesse kaum noch durchschauen kann, kommt auf die Personalvertretungen bei deren Gestaltung eine erhebliche Verantwortung zu. 

Die anstehenden Prozesse der Digitalisierung in der Verwaltung können nicht mit dem bestehenden hessischen Personalvertretungsgesetz mitgestaltet werden: „Verwaltung 4.0 geht nicht mit Beteiligung 1.0“.  

Fast unbemerkt hat der Digitalisierungsprozess in Hessen an vielen Stellen der Verwaltung durch die breite Einführung von EDV-gestützten Fachanwendungen sowohl in der Personal- wie auch in der Fachverwaltung begonnen. Schlagworte sind z. B. der Hessen-PC, die elektronische Bearbeitung und Archivierung von Vorgängen (HeDok/DMS), die Internettelefonie (HessenVoice) oder die elektronischePersonalakte bzw. SAP-Personalverwaltung. 

Nicht selten ist die Einführung der neuen Techniken mit einem Zuwachs an Verhaltens- und Leistungskontrollen verbunden. Gerade die Digitalisierung bietet nahezu unendlich viele Möglichkeiten, den/die „gläserne/n Mitarbeiter/in“ zu schaffen. Die bisher im Hessischen Personalvertretungsgesetz dazu enthaltenen Mitwirkungs- und Mitbestimmungstatbestände – einschließlich der Informationspflichten der Dienststellen – werden diesen Anforderungen in der Praxis nicht gerecht.

Auch die Funktions- und Organisationsstrukturen der hessischen Verwaltung werden in den Fokus der Veränderungsprozesse geraten. Die in Hessen auf diesem Feld angestoßenen „Feldversuche“ zeigen, dass die betroffenen Mitarbeiter/innen durch den Ortswechsel einer Dienststelle in einem hohen Maße betroffen sind. Aus den Erfahrungen der Vergangenheit sind die Mitbestimmungsrechte des Personalrates nicht ausreichend, um die Interessen der Kolleginnen und Kollegen hinreichend zu schützen. 

Mit den Veränderungsprozessen werden neue Arbeitsformen (z. B. Telearbeit, Home-Office) in die Landesverwaltung Einzug halten. Diese Entwicklungen bringen für die Mitarbeiter/innen nicht nur Vorteile; sie bergen auch Risiken. Der Personalrat muss sich künftig mit Fragen von „isolierter Arbeitserbringung“ an Heimarbeitsplätzen, verbunden mit den Gefahren der „Selbstausbeutung am Arbeitsplatz“ auseinandersetzen. Diese Probleme werden in dem bisherigen HPVG nicht oder nur am Rande behandelt. Hier besteht dringender Nachholbedarf.

Einige Bundesländer haben mit Novellen des Personalvertretungsrechtes auf die aufgezeigten Entwicklungen bereits reagiert. In der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD hat der Bund für die Bundesverwaltung ebenfalls eine Novelle des Bundespersonalvertretungsgesetzes angekündigt.Es wird sich darin auch im Kern mit den Fragen der Digitalisierung der Verwaltung – Verwaltung 4.0 - beschäftigen.

Aufgrund der Erfahrungen in der vergangenen Legislaturperiode ist die Landesleitung des dbb Hessen vor der Landtagswahl 2018 mit einem praxisbezogenen Konzept für eine Novelle des HPVG an die Fraktionen des Hessischen Landtages herantreten.

In der Phase der Koalitionsverhandlungen zur 20. Legislaturperiode ist es dem dbb Hessen gelungen, dass die Absicht zur Novellierung des HPVG Eingang in die Koalitionsvereinbarung von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gefunden hat.

Der dbb Hessen hat dem hessischen Innenminister und den im hessischen Landtag vertretenen Fraktionen einen vollständig ausgearbeiteten Gesetzentwurf für ein neues HPVG vorgelegt.

 

Allgemeiner Veränderungsbedarf

Das Hessische Personalvertretungsgesetz ist insgesamt in der Anwendung schwer zu handhaben. 

Da die Vorschriften für die sich beschleunigenden Veränderungsprozesse in der Landesverwaltung Vieles nicht berücksichtigen und viele Vorschriften auslegungsbedürftig sind, sindKonflikte zwischen den Akteuren vorprogrammiert. 

Der dbb Hessen fordert eine regelmäßige Anpassung des HPVG an die aktuelle Rechtsprechung und die sich rapide verändernden Verwaltungsprozesse und Organisationsstrukturen.

Das HPVG muss in seinem Aufbau neu geordnet und verständlicher strukturiert, damit schlicht anwenderfreundlicher werden. Dies gilt insbesondere für die Mitwirkungs- und Mitbestimmungstatbestände.

Darüber hinaus muss das künftige hessische Personalvertretungsrecht geschlechterneutral formuliert werden.

Mitbestimmung und Mitwirkung des Personalrates

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus 1995 zum Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein sind der Mitbestimmung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst durch den Grundsatz, dass staatliches Handeln nach Artikel 20 Abs. 2 GG der demokratischen Legitimation bedarf, Grenzen gesetzt worden. Da der Inhalt dieser Grundsatzentscheidung im Kern bis heute fortbesteht, ist der dbb Hessen der Auffassung, dass die Novelle des HPVG kein einfaches „Mitbestimmungs-Wiederherstellungsgesetz“ sein kann. 

Grundsätzlich sollte der derzeitige Mitbestimmungskatalog beibehalten, aber um folgende Tatbestände erweitert werden:

  • Einbeziehung der Beförderung nach A 16
  • Ausweitung der Mitbestimmung bei Abordnungen 
  • Neujustierung und Abgrenzung der Mitbestimmungszuständigkeiten in Stufenverfahren; Stärkung der örtlichen Personalräte
  • Neugestaltung unter Wegfall der Regelung in § 81 Abs. 5 HPVG. 

Ausweitung des Instituts der Dienstvereinbarung

Mit einer Erweiterung der Möglichkeit zum Abschluss von Dienstvereinbarungen soll dem Bedürfnis aus der Praxis entsprochen werden, über die im HPVG bisher zugelassenen Fälle hinaus im gegenseitigen Einvernehmen allgemeine Regelungen zu treffen. Dienstvereinbarungen sollen – soweit keine gesetzliche oder tarifrechtliche Regelung      besteht – in allen personellen, sozialen, organisatorischen und sonstigen innerdienstlichen Angelegenheiten zulässig sein. 

Darüber hinaus ist im Gesetz Klarheit zu schaffen über die Möglichkeiten und Konsequenzen einer Kündigung der Dienstvereinbarung.

Dienstvereinbarungen sollen grundsätzlich eine salvatorische Klausel enthalten.

Initiativ- und Informationsrecht des Personalrates

Das hessische Personalvertretungsgesetz dient dem kollektiven Schutz der Beschäftigten in der hessischen Landesverwaltung. Das Personalvertretungsrecht wird von dem gesetzlich normierten Gedanken einer partnerschaftlichen  Stellung von Personalvertretung und Dienststellenleitung getragen. Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet das Personalvertretungsrecht als „ein wichtiges Mittel zur Wahrung der Menschenwürde und der Persönlichkeitsentfaltung in der Dienststelle“.

Ein moderner Personalrat darf deshalb nicht nur reagieren; er muss agieren und mitgestalten. Diese aktive Teilhabe an der Gestaltung der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsumfeldes setzt eine aktive Einbeziehung der Personalräte in die Entscheidungs- und Veränderungsprozesse voraus.

Unklarheiten bezüglich des zeitlichen Einsetzens, des Inhaltes und des Umfanges des Informationsanspruches führen in der Praxis und nicht selten schon im Vorfeld der Mitbestimmung zu Auseinandersetzungen zwischen Personalrat und Dienstelle.

Die Beteiligung der Personalvertretung muss zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die Maßnahmen insgesamt noch gestaltungsfähig, also veränderbar sind. Damit nicht entscheidende Weichenstellungen ohne den Personalrat erfolgen, ist der Personalrat zwingend bereits in Planungsgruppen, die beteiligungsfähige Maßnahmen der Dienststelle vorbereiten, verbindlich einzubinden. Eine frühzeitige Beteiligung ist auch bei Pilotvorhaben angezeigt, da diese regelmäßig für die endgültige Maßnahme von Bedeutung sind und auf die von der Pilotmaßnahme betroffenen Beschäftigten negative Auswirkungen haben könnten.

Damit sich der Personalrat aktiv für die Belange der Beschäftigten einsetzen kann, ist ihm in allen der Mitbestimmung unterliegenden Angelegenheiten – nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes gilt dies auch für personelle Einzelmaßnahmen – die Möglichkeit einzuräumen, initiativ zu werden.

 

Freistellungsregelungen

Die Gewährung von Freistellungen hat in der Praxis häufig zu Konflikten geführt. Mehrheitsgewerkschaften haben auch bei marginalen Stimmenvorteilen alle Freistellungen, die das HPVG vorsieht, für sich beansprucht, wodurch das Wählervotum sehr verfälscht abgebildet wird. 

-Beschluss des VGH Kassel vom 6.12.2017 schafft Klarheit-

Nach § 40 Abs. 3 Satz 1 HPVG sind Mitglieder des Personalrates auf Antrag des Personalrates von ihrer dienstlichen Tätigkeit freizustellen, wenn und soweit es nach Umfang und Art der Dienststelle zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Bei der Freistellung sind nach dem Vorsitzenden die Gruppen entsprechend ihrer Stärke und die im Personalrat vertretenden Gewerkschaften und freien Listen entsprechend ihrem Stimmenanteil zu berücksichtigen, soweit sie nicht auf die Freistellung verzichten.

Davon ausgehend hat der Gesetzgeber mit dieser Regelung sicherstellen wollen, dass – soweit eine Freistellung überhaupt in Betracht kommt – diese wegen der Mehrbelastung dem Vorsitzenden zukommt. Weitere Freistellungen sollen in Abhängigkeit von dem erzielten Wahlergebnis unter Anrechnung des Vorsitzenden vergeben werden. Der Umstand, dass die auf den Vorsitzenden entfallende Freistellung anzurechnen ist, belegt, dass die Vergabe der Freistellungen im Grundsatz an Hand des erzielten Wahlergebnisses erfolgen und der Gruppe bzw. Gewerkschaft oder Liste, der der Vorsitzende angehört, durch diese Regelung keine zusätzliche Freistellung verschafft werden soll.

Diese zwischenzeitlich eindeutige Rechtsprechung sollte in einer ebenso eindeutigen Formulierung im hessischen Gesetz ihren Niederschlag finden.

Außerdem muss klar im Gesetz geregelt werden, dass Freistellungen geteilt werden können.

Insgesamt sind die Freistellungsregelungen zu verbessern und am Praxisbedarf zu orientieren.

 

Personalratswahlen / Wahlordnung

Der dbb Hessen ist für die uneingeschränkte Beibehaltung des Gruppenprinzips im Personalrat. Beamtinnen/Beamte und Arbeitnehmer/innen bilden weiterhin jeweils eine Gruppe im Personalrat. Das Gruppenprinzip stellt aus unserer Sicht ein wesentliches Element des Personalvertretungsrechtesdar. Das Gruppenprinzip hat sich bewährt und dient dem Schutz der Interessen dieser beiden Beschäftigtengruppen. 

Der dbb Hessen steht nach wie vor für die persönliche Stimmabgabe an der Wahlurne und/oder die Briefwahl, weil dies zu einer stärkeren Identifizierung mit der Arbeit des Personalrats führt. 

In der Wahlordnung sollte verbindlich festgelegt werden, dass auf dem Stimmzettel mindestens die ersten drei Namen der jeweiligen Liste mit der Dienststellenzugehörigkeit, aber ohne Dienst- oder Amtsbezeichnung erscheinen. Dies ist insbesondere bei Stufenvertretungen wichtig.

Bei der Bildung von Wahlvorständen sollen alle vertretenen Gewerkschaften und Freie Listen angemessen – paritätisch - berücksichtigt werden. Gleiches gilt für die Besetzung der Wahllokale.

Qualifizierung von Personalräten

Der dbb Hessen ist der Auffassung, dass die Personalvertretungen gerade hinsichtlich der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen besser qualifiziert werden müssen. Gerade bei kleinen und mittleren Dienststellen besteht hier ein dringender Handlungsbedarf. Zuletzt wurden Qualifizierungsmaßnahmen häufiger wegen hoher Arbeitsbelastung in den Dienststellen oder wegen Budgetproblemen abgelehnt. Der dbb Hessen fordert daher, einen Qualifizierungsanspruch für Personalrätinnen und Personalräte in die Novelle des HPVG aufzunehmen. 

Wahl der stellvertretenden Vorsitzenden der Personalvertretung

In der Praxis kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen in den Personalvertretungen und zu späteren Gerichtsverfahren bei der Frage, wie die Vergabe der Ämter der stellvertretenden Personalratsvorsitzenden zu geschehen hat.

Der dbb Hessen fordert deshalb, dass der Gesetzgeber seinen ursprünglichen Willen, wonach bei der Wahl der stellvertretenden Vorsitzenden die Gruppen und die im Personalrat vertretenen Gewerkschaften und freien Listen berücksichtigt werden müssen, unmissverständlich formuliert. 

Ebenso muss der Gesetzgeber die Anwendung des Berechnungsverfahrens nach Hare-Niemeyer eindeutig festschreiben.

Stellung der Gewerkschaftsbeauftragten

Das HPVG sollte das Verhältnis von Gewerkschaften, Dienststellenleitungen und Personalräten zueinander klarer regeln. 

Das HPVG sollte die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Gewerkschaften mit Dienststelle und Personalvertretungen eindeutig konstituieren und ein Recht auf Zugang zu den einzelnen Dienststellen festlegen. Um Auseinandersetzungen zu vermeiden, sollten auch die Grenzen der Gewerkschaftsarbeit – unter Beachtung der dazu ergangenen Rechtsprechung - festgelegt werden.

Den Gewerkschaftsbeauftragten im Personalrat kommt eine wichtige Beratungsfunktion zu. Der Beratungsbedarf wächst aufgrund der anstehenden Anpassungs- und Veränderungsprozesse in den Verwaltungen (z. B. der Digitalisierung der Verwaltungsprozesse) rasant an. 

Die Gewerkschaftsbeauftragten müssen an allen Sitzungen der Personalvertretungen teilnehmen können. Dazu sollten sie verpflichtend zu den Sitzungen des Personalrates eingeladen werden. 

Insgesamt müssen die Rechte der Gewerkschaftsbeauftragten klarer geregelt werden.

 

Der dbb Hessen setzt sich dafür ein, dass